Gender Snapshot 2024: Neuester Bericht der Vereinten Nationen (UN) und UN Women zeigt, dass zwar weltweit Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter erzielt wurden, diese aber viel zu langsam sind. Der UN-Bericht drängt auf sofortiges globales Handeln zur Beendigung geschlechtsspezifischer Diskriminierung.
SDG 5 – Gleichstellung der Geschlechter
SDG 5 zielt auf die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung von Frauen und Mädchen. Die strukturell verwurzelten und vielfältigen geschlechtsspezifischen Diskriminierungen sollen beendet werden. Denn die Stärkung und Beteiligung von Frauen und Mädchen hat eine Hebelwirkung auf Wirtschaftswachstum und Entwicklung und ist damit nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern zugleich in ökonomischer und sozialer Hinsicht unverzichtbar. In SDG 5 sind 9 Unterziele verankert:
… wird es beim derzeitigen Tempo noch 137 Jahre dauern, bis die extreme Armut für Frauen und Mädchen beseitigt ist.
… werden beim derzeitigen Tempo Mädchen noch bis 2092 als Kinder verheiratet werden.
(Quelle: Gender Snapshot 2024)
Ziel 5.1: Alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen überall auf der Welt beenden
Durch geschlechtsspezifische Diskriminierungen werden Frauen und Mädchen seit langem am Arbeitsplatz, in der Politik und zu Hause ungleich behandelt. In einigen Ländern ist diese Diskriminierung gesetzlich verankert und verbietet Frauen beispielsweise den Zugang zu bestimmten Berufen. In anderen Ländern stehen wirtschaftliche Hindernisse wie das geschlechtsspezifische Lohngefälle oder Stereotype einer vollständigen Gleichstellung der Geschlechter im Weg. Für ein Ende der geschlechtsspezifischen Diskriminierung braucht es Gesetze und Rahmenbedingungen, die die Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen fördern, durchsetzen und überwachen.
Im Rahmen internationaler Menschenrechtsbestimmungen und -abkommen, insbesondere des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und der Erklärung und Aktionsplattform von Peking, haben sich die Staaten verpflichtet, die Diskriminierung von Frauen zu beseitigen und die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Auch in Hinblick auf rechtliche Rahmenbedingungen.
Im Fokus: Diskriminierende Gesetze gegen Frauen
In 119 Ländern erhobenen Daten zeigen, dass Frauen aufgrund diskriminierender Gesetze und Lücken im Rechtsschutz nach wie vor Schwierigkeiten haben, ihre Menschenrechte in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen.
55 Prozent der Länder haben keine Gesetze, die die direkte und indirekte Diskriminierung von Frauen ausdrücklich verbieten; 60 Prozent haben keine Gesetze, die Vergewaltigung auf der Grundlage des Prinzips der Zustimmung definieren. In 18 Ländern können Ehemänner ihre Ehefrauen rechtlich daran hindern, zu arbeiten; in 39 Ländern haben Töchter und Söhne nicht das gleiche Erbrecht; in 49 Ländern fehlen Gesetze zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt; in 37 Ländern werden Vergewaltiger nicht strafrechtlich verfolgt, wenn sie mit der vergewaltigten Frau verheiratet sind oder sie später heiraten. Dreiviertel der Länder haben kein Mindestheiratsalter von 18 Jahren festgelegt.
45 Prozent schreiben keine gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit vor, mehr als ein Drittel der Länder gewährt keinen Mutterschaftsurlaub gemäß den Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).
Ziel 5.2: Alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen beseitigen
Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine der am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen der Welt und findet in allen Ländern statt. Sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum. Diese Gewalt kann viele Formen annehmen, darunter physische, sexuelle, psychologische und wirtschaftliche. Andere Arten von Gewalt wie Menschenhandel und neue Erscheinungsformen wie Cyber-Mobbing sind ebenfalls länderübergreifend verbreitet. Die langfristigen physischen, psychischen und emotionalen Auswirkungen beeinträchtigen das Leben der Überlebenden nachhaltig. Geschlechtsspezifische Gewalt wirkt sich außerdem auf die Gemeinschaften und Familien der betroffenen Frauen aus, insbesondere auf das Leben ihrer Kinder, und hindert Frauen an der vollen Teilhabe an der Gesellschaft. Die gesellschaftliche Akzeptanz und die weit verbreitete Straflosigkeit für die Täter gehören zu den Hauptfaktoren, die zu ihrem Fortbestehen beitragen.
Im Fokus: Partnerschaftliche Gewalt
Fast jede vierte Frau über 15 Jahren, d.h. 641 Millionen Frauen, hat mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexualisierte Gewalt durch einen Partner erlebt. 24% der heranwachsenden Mädchen im Alter von 15-19 Jahren und 26 % der jungen Frauen im Alter von 20-24 Jahren, die jemals einen Partner hatten oder verheiratet waren, waren bereits dieser Gewalt ausgesetzt.
Mehr Informationen zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Ziel 5.3: Alle schädlichen Praktiken bei Frauen und Mädchen beseitigen
Schädliche Praktiken wie Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung und weibliche Genitalverstümmelung (FGM) sind Menschenrechtsverletzungen und haben eine Vielzahl negativer Folgen für Mädchen. Eine frühe Heirat verringert Bildungschancen und erhöht die Wahrscheinlichkeit für Teenagerschwangerschaften und damit verbundenen hohen Müttersterblichkeitsraten. FGM ist eine grausame Verletzung der körperlichen Unversehrtheit von Frauen und Mädchen.
Im Fokus: Kinderheirat
Jedes Jahr werden 15 Millionen Mädchen unter 18 Jahren zur Heirat gezwungen. Im Jahr 2021 war weltweit jede fünfte junge Frau im Alter vor dem 18. Geburtstag verheiratet.
Die Anzahl an Kinderheiraten innerhalb von Regionen und Ländern hängt von Faktoren wie Armut, geschlechtsspezifischen Normen und Traditionen sowie Wohnort ab. Während es in einigen Ländern Anzeichen für rückläufige Raten von Kinderheiraten gibt, steigen in anderen Ländern die Fälle von Kinderheirat.
Im Fokus: Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
Mehr als 200 Millionen Frauen in 31 Ländern sind von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Obwohl diese schädliche Praxis seltener wird, gibt es immer noch Länder, in denen mindestens 9 von 10 Mädchen und Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren von FGM erleben. Selbst in Ländern, in denen diese Praxis weniger verbreitet ist, müsste sich der Fortschritt aufgrund des Bevölkerungswachstums zehnfach beschleunigen, um ein Ende der Praktik bis 2030 zu erreichen. Insbesondere Bildung ist ein Schlüssel zur Beseitigung, da gebildete Frauen sich am häufigsten gegen FGM einsetzen.
Ziel 5.4: Unbezahlte Pflege- und Hausarbeit wertschätzen
Frauen leisten dreimal so viel unbezahlte Pflege- und Hausarbeit wie Männer. Frauen verbringen durchschnittlich 18% ihres Tages ausschließlich mit unbezahlter Pflege- und Hausarbeit, während Männer 7% ihres Tages dafür aufwenden. Soweit Daten verfügbar sind, deuten sie darauf hin, dass Frauen mit jüngeren Kindern mehr unbezahlte Arbeit verrichten als Frauen ohne Kinder. Die Unterschiede zwischen den Frauen variieren auch durch andere Faktoren wie das Haushaltseinkommen, die Frage, ob es zu Hause Zugang zu Trinkwasser und Brennstoffen gibt, sowie durch politische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung.
Eine in 33 Ländern durchgeführte Studie zeigt, dass bereits Mädchen im Alter von 7-14 Jahren mehr Hausarbeit (u.a. die Betreuung jüngerer Geschwister) verrichten als gleichaltrige Jungen. Die ungleich verteilte Sorgearbeit wirkt sich negativ auf die Bildung, das Einkommen, die Karrieremöglichkeiten und die gesellschaftliche Teilhabe von Frauen und Mädchen aus.
Im Fokus: Auswirkungen der Corona Pandemie
Social distancing, Schul- und Kitaschließungen sowie überlastete Gesundheitssysteme haben die unbezahlte Care-Arbeit von Frauen zusätzlich erhöht. Eine Studie in Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA hat gezeigt, dass Frauen nun in der Woche 15 Stunden mehr Care-Arbeit leisten als Männer. Diese zusätzliche Belastung wirkt sich auf die psychische und physische Gesundheit, ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt sowie ihre politische Teilhabe aus.
Ziel 5.5: Die Teilhabe von Frauen und ihre Chancengleichheit bei der Übernahme von Führungsrollen sicherstellen
An politischen und wirtschaftlichen Prozessen und Entscheidungen teilzuhaben, ist ein wesentlicher Bestandteil der Rechte von Frauen und Mädchen. Essentiell für die Stärkung von Frauen ist ihre Förderung und Beteiligung an politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen. Dennoch sind Frauen überall auf der Welt auf der Führungsebenen von Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert. Damit mehr Frauen an Verhandlungen und Entscheidungen teilhaben, müssen Stereotype abgebaut und die Care-Arbeit gerechter verteilt werden.
Im Fokus: Vertretung von Frauen in nationalen Parlamenten
Trotz einiger Fortschritte sind Frauen in den Parlamenten weltweit nach wie vor unterrepräsentiert. 2021 haben Frauen ein Viertel der Sitze in nationalen Parlamenten und 36% der Sitze in lokalen Parlamenten inne.
Durch Geschlechterquoten bei Wahlen und andere Sondermaßnahmen hat sich der Anteil der Frauen in nationalen Entscheidungsgremien in vielen Ländern erhöht. Trotz der nachgewiesenen Wirkung verfügen jedoch weniger als die Hälfte der Länder weltweit über irgendeine Form von gesetzlichen Quoten.
Ziel 5.6: Den allgemeinen Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und reproduktiven Rechten gewährleisten
Frauen und Mädchen sind im Hinblick auf ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit und ihre damit verbundenen Rechte mit vielen Herausforderungen und Risiken konfrontiert. Rechtliche Barrieren sorgen zum Beispiel dafür, dass Frauen und Mädchen für gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen oder Verhütung die ausdrückliche Zustimmung des Ehemannes oder der Eltern benötigen. In anderen Fälle sind die Angebote sexueller und reproduktiver Gesundheit, selbst wenn sie verfügbar sind, teuer und von schlechter Qualität. Nur 57% der Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren treffen ihre eigenen informierten Entscheidungen hinsichtlich ihrer sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte, zeigen Daten aus 64 Ländern (2007-2021). Bei jugendlichen Mädchen werden die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte zusätzlich durch das Fehlen einer umfassenden Sexualerziehung und durch schädliche Praktiken wie Zwangsheirat beeinträchtigt.
Komplikationen im Zusammenhang mit Geburt und Schwangerschaft gehören zu den häufigsten Todesursachen von Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren. Staaten sind verpflichtet, zugängliche, qualitativ hochwertige und bezahlbare sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung bereitzustellen.
Weiterführende Informationen zu SDG 5.6 gibt es in dieser Studie von UNFPA (Februar 2020).
Ziel 5.a Frauen die gleichen Rechte auf wirtschaftliche Ressourcen verschaffen
Wirtschaftliche Ressourcen – z.B. Landbesitz, finanzielles Vermögen, Erbschaften und natürliche Ressourcen – helfen bei der Bewältigung von Krisen und dienen als Sicherheit für Kredite. Frauen und Mädchen haben jedoch deutlich schlechteren Zugang zu diesen wirtschaftlichen Ressourcen. Eine größere Gleichberechtigung der Geschlechter bei der Verteilung der wirtschaftlichen Ressourcen hat positive Multiplikatoreffekte für integratives, gerechtes und nachhaltiges Wirtschaftswachstums sowie wichtige Entwicklungszielen, darunter Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit sowie Gesundheit. Der gleichberechtigte Zugang zu und die Kontrolle über wirtschaftliche Ressourcen verschafft Frauen auch eine größere Verhandlungsmacht innerhalb des Haushalts und die Fähigkeit zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit.
Im Fokus: Gleiche Landrechte für Frauen
Land ist eine wichtige wirtschaftliche Ressource, die untrennbar mit dem Zugang zu anderen wirtschaftlichen und produktiven Ressourcen verbunden ist. Frauen sind weitaus seltener Landbesitzerinnen in der Landwirtschaft: Ihr Anteil reicht von 0,8% in Saudi-Arabien bis zu 51% in Cabo Verde, bei einem globalen Gesamtanteil von 12,8%. Wenn Frauen Land besitzen, sind ihre Parzellen im Allgemeinen kleiner und von geringerer Qualität als die Parzellen von Männern, und ihre Rechte an dem Land sind weniger sicher.
Ziel 5.b Die Nutzung von Grundlagentechnologien, insbesondere der Informations- und Kommunikationstechnologien, verbessern
Die Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) haben die Welt verändert. Aber die Vorteile sind nicht gleichmäßig verteilt. Beim Zugang zu und bei der Nutzung von IKT bestehen große geschlechtsspezifische Unterschiede. Frauen besitzen seltener als Männer ein Mobiltelefon und sind in anderen Bereichen benachteiligt, u.a. beim Internetzugang und bei der breiteren Einbindung in die digitale Wirtschaft. Das Ergebnis ist eine wachsende digitale Kluft zwischen Frauen und Männern und eine Vertiefung der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, da Frauen in wichtigen Bereichen der Wissensgenerierung, Innovation und des Unternehmertums außen vor bleiben.
Im Fokus: Frauen und IKTs
Der Zugang zum Internet nimmt exponentiell zu. Die Technologie wird genutzt, um in der Schule, am Arbeitsplatz und zu Hause zu kommunizieren und Informationen auszutauschen. Aber Frauen werden nicht im gleichen Tempo erreicht wie Männer. Im Jahr 2017 war der Anteil der Frauen, die das Internet weltweit nutzen, um 6 % niedriger als der der Männer.
Mobiltelefone können zum Empowerment von Frauen beitragen: Sie ermöglichen es Frauen, mit Familie und Freund*innen in Kontakt zu bleiben, erleichtern finanzielle Transaktionen und sparen Zeit bei der Koordination und Verwaltung alltäglicher Aktivitäten. Frauen im globalen Süden berichten, dass sie sich mit einem Mobiltelefon unabhängiger und sicherer fühlen, obwohl die Belästigung durch im Internet ein wachsendes Problem ist. Bei Frauen ist die Wahrscheinlichkeit, ein Mobiltelefon zu besitzen, um 12% geringer als bei Männern. Die Überwindung der digitalen Kluft zwischen den Geschlechtern erfordert größere Anstrengungen, nicht nur um den Zugang zu IKT für alle auszuweiten, sondern auch um sicherzustellen, dass Frauen und Mädchen Zugang zu relevanten Informationen erhalten sowie frei und ohne Diskriminierung kommunizieren können.
Ziel 5.c Eine solide Politik und durchsetzbare Rechtsvorschriften zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter beschließen und verstärken
Die Agenda 2030 verpflichtet die Staaten dazu, ihre Investitionen für Gleichstellung deutlich zu erhöhen. Die erforderlichen Ressourcen für Gleichstellungspolitiken und -programme sind von zentraler Bedeutung für die Umsetzung und Erreichung von SDG 5. Zielvorgabe 5.c zielt im Großen und Ganzen auf die Stärkung von Politiken und Rechtsvorschriften ab, die die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau fördern. Dazu gehören Bemühungen der Regierung, Systeme zur Verfolgung der Ressourcenzuweisungen für die Gleichstellung der Geschlechter zu entwickeln und umzusetzen. Die Nachverfolgung der für die Gleichstellung der Geschlechter zugewiesenen Ressourcen erhöht die Transparenz und könnte letztlich zu mehr Rechenschaftspflicht führen. Sie ist ein wichtiger erster Schritt, um die Lücke zwischen Politik und Umsetzung zu schließen.
Um systemische Hindernisse für die Erreichung von Ziel 5 abzubauen, sind politische Führung, Investitionen und umfassende politische Reformen erforderlich. Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein übergreifendes Ziel und muss ein zentraler Schwerpunkt von nationalen Maßnahmen in Politik, Haushalten und Institutionen sein.
Stand: September 2024