Möglichkeiten, wie Sie sich gegen Gewalt an Frauen und Mädchen einsetzen können
Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Bitte beachten Sie die Trigger Warnung: Gewalt, Mord.
Gewalt gegen cis und trans Frauen ist weltweit eine der am stärksten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen, die jeden Tag und überall auf der Welt verübt wird. Sie hat kurzfristige und langfristige körperliche, psychische und ökonomische Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen. Die Gewalt bzw. die allgegenwärtige Angst vor Gewalt hindert Frauen und Mädchen an einer gleichberechtigten und umfassenden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Frauen und Mädchen erfahren verschiedene Formen von Gewalt, in unterschiedlichen Kontexten. Diese Übersicht soll helfen, diese Formen besser zu verstehen.
Grundbegriffe im Kontext "Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen"
Geschlechtsbasierte oder geschlechtsspezifische Gewalt
Geschlechtsbasierte oder geschlechtsspezifische Gewalt (auf Englisch: Gender-based violence, GBV) beschreibt gewaltvolle Handlungen gegenüber einem Individuum oder einer Gruppe von Individuen aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit. Diese Form der Gewalt ist in der Ungleichbehandlung von Frauen, im Missbrauch von Macht sowie in sexistischen Gesellschaftsstrukturen verankert. Der Begriff wird benutzt, um zu verdeutlichen, dass gesellschaftliche Strukturen das Risiko für Mädchen und Frauen erhöhen, bestimmte Formen von Gewalt zu erleben. Auch wenn Frauen und Mädchen überproportional von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, können auch Männer und Jungen Betroffene sein.
Geschlechtsbasierte Gewalt kann sich auch gegen Menschen richten, die bestimmten sozialen Normen und einem binären Geschlechterverständnis nicht entsprechen. Hier wird auch von queerfeindlicher Gewalt gesprochen.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Gewalt gegen Frauen und Mädchen beschreibt jeden Akt geschlechtsspezifischer Gewalt, durch die Frauen und Mädchen körperlichen oder psychischen Schaden bzw. Leid erfahren. Dazu zählt auch die Androhung von Gewalthandlungen, Nötigung sowie Freiheitsberaubung; unabhängig davon, ob dies in der öffentlichen oder „privaten“ Sphäre geschieht. Gewalt gegen Frauen und Mädchen umfasst, ist aber nicht begrenzt auf, physische, sexualisierte und psychische Gewalt im Kontext der Familie, der Partnerschaft oder der Gesellschaft. Zudem dulden Staaten häufig Gewalt gegen Frauen und Mädchen und verüben sie als institutionalisierte Gewalt selbst.
Überlebende*r von Gewalt
Als Überlebende*r von Gewalt (engl.: survivor) werden Personen bezeichnet, die sexualisierte oder geschlechtsbasierte Gewalt erfahren haben. Der Begriff ähnelt zwar dem des „Opfers“, wird jedoch grundsätzlich bevorzugt, da die dem „Opfer“ implizite Passivität vermieden wird. „Überlebende*r von Gewalt“ verdeutlicht das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt, die das Risiko birgt, lebensbedrohlich zu sein.
Gegenseitiges Einverständnis (engl. Consent)
Nein heißt Nein. Ja heißt Ja. Das gegenseitige Einverständnis ist eine Übereinkunft zwischen Menschen über körperliche und sexuelle Handlungen. Die Zustimmung muss freiwillig und aktiv erfolgen. Wer aufgrund von einem hohen Machtgefälle, Alkohol- oder Drogeneinfluss oder anderer Faktoren nicht den eigenen freien Willen äußern kann, kann keine Zustimmung geben. Gegenseitiges Einverständnis (auch: Einvernehmlichkeit) ist damit nicht nur die bloße Abwesenheit eines Neins, sondern die aktive Zustimmung, die jederzeit zurückgezogen werden kann. Wenn unklar ist, ob die Person ihr Einverständnis gegeben hat, dann besteht kein Consent. Letzterer besteht dann, wenn alle Parteien aktiv und selbstbestimmt ihr Einverständnis gegeben haben.
Rape Culture
Der Begriff Rape Culture lässt sich wortwörtlich als „Vergewaltigungskultur“ übersetzen. Dabei bezeichnet „Rape Culture“ das soziale und gesellschaftliche Umfeld, das sexualisierte Gewalt – nicht nur Vergewaltigungen – normalisiert, ignoriert und verharmlost. Diese Kultur ist tief in patriarchalen Strukturen verankert und wird durch verharmlosende mediale Darstellungen, sexistische Werbung und Witze sowie eine unzureichende Rechtsprechung befördert.
Victim Blaming
Victim Blaming meint die Täter*in-Opfer-Umkehr. Bei Victim Blaming wird die Verantwortung für den erlittenen Übergriff zum Teil oder komplett den Betroffenen zugeschrieben, da diese durch das eigene Verhalten die Tat vermeintlich mitverschuldet hätten. Vor allem Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, wird oft vorgeworfen, sie hätten sich zu freizügig angezogen, wären alkoholisiert gewesen oder hätten dem*der Täter*in im Vorhinein Avancen gemacht. Victim Blaming ist ein grundlegender Bestandteil der Rape Culture und wird gesellschaftlich und in Gerichtssälen als Verteidigungsstrategie genutzt. Denn das vermeintlich „provozierende“ Verhalten des Opfers wirkt sich oft strafmildernd aus. Folglich trägt Victim Blaming wesentlich dazu bei, dass Betroffene nur selten einen Übergriff zur Anzeige bringen.
Gewaltformen
Gewalt in Partnerschaften
Partnerschaftsgewalt – auch häusliche Gewalt – beschreibt Verhaltensmuster, um Macht und Kontrolle über die oder den Partner*in auszuüben oder zu erhalten. Gewalt in Partnerschaften kann sich als körperliche, sexuelle, emotionale, ökonomische und psychische Handlungen oder die Androhung dieser Handlungen äußern, die einer anderen Person schaden. Partnerschaftsgewalt beginnt häufig mit verbaler Gewalt, die oft anfangs nicht als Gewalt erkannt wird, und eskaliert zunehmend („Gewaltspirale“). Gewalt in Partnerschaften ist eine der weltweit am stärksten verbreiteten Formen geschlechtsspezifischer Gewalt.
Partnerschaftsgewalt kann wie folgt auftreten:
Ökonomische Gewalt beschreibt Handlungen, die darauf abzielen, die oder den Partner*in finanziell von sich abhängig zu machen. Zum Beispiel, wenn der Zugang zu Geld bzw. zum Konto oder zu Erwerbstätigkeit/ Schulbesuch verweigert wird.
Psychische bzw. emotionale Gewalt kann verschiedene Ausmaße annehmen. Dazu gehören zum Beispiel: Einschüchterung, Erpressung, Gewaltandrohung, Manipulation (z.B. „Gaslighting“) , die systematische Herabsetzung des Selbstwertgefühls (etwa durch Beleidigungen, Schuldzuweisungen und Beschuldigungen), Kontrolle, bewusstes Ignorieren und Schlechtmachen sowie das Verbieten von Kontakt zu Kindern, Freund*innen oder Familie.
Unter körperlicher Gewalt werden gewaltvolle Handlungen verstanden, durch die physischer Schaden zugefügt wird. Dazu zählen u.a. Schlagen, Treten, Schubsen, Festhalten, an den Haaren ziehen, die Verweigerung medizinischer Versorgung, der Zwang zu Alkohol- und Drogenkonsum bis hin zu Mordversuch und Mord.
Als sexualisierte Gewalt wird der Zwang zu einer sexuellen Handlung verstanden, zu der die oder der Partner*in keine Zustimmung gegeben hat. Mehr zu sexualisierter Gewalt unten.
Femizid
Der Begriff Femizid bezeichnet die bewusste Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Da der Begriff jedoch nicht immer einheitlich definiert und verwendet wird, wird er ebenfalls benutzt, um alle Tötungen von Frauen und Mädchen unabhängig vom Tatmotiv zu benennen. Der Femizid unterscheidet sich auf sehr spezifische Weise von der Tötung eines Mannes. Denn die meisten Femizide werden im Kontext von (ehemaligen) Partnerschaften verübt, die bereits von Gewalt, sexualisiertem Missbrauch, einem starken Machtungleichgewicht sowie von Drohungen und Einschüchterung geprägt waren.
Sexualisierte Gewalt
Sexualisierte Gewalt beschreibt jede Handlung, durch die eine Person belästigt oder gegen den eigenen Willen zu einer sexuellen Handlung gezwungen wird, zu der sie nicht ihre Zustimmung gegeben hat oder die Einwilligung nicht erteilt werden kann (siehe Gegenseitiges Einverständnis).
Im Gegensatz zu „sexuelle Gewalt“ macht „sexualisierte Gewalt“ deutlich, dass es um Gewalt mit sexuellen Mitteln geht, nicht um Sex. Im Vordergrund geht es um eine Form der Machtausübung und Diskriminierung, nicht um die sexuelle Befriedigung oder einen sog. „Trieb“.
Sexualisierte Gewalt umfasst u.a.:
Sexualisierte Belästigung umfasst unerwünschten, sexuell bestimmten Körperkontakt wie Berührungen, Küsse, Kneifen oder „Grapschen“. Auch verbale Handlungen wie Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, zweideutige „Witze“, sexualisierte Bemerkungen über das Aussehen, sexistische Beleidigungen, das Entblößen der Genitalien, das unerwünschte Versenden pornografischer Inhalte sowie andere sexuelle Anzüglichkeiten zählen als sexualisierte Belästigung.
Unter einer Vergewaltigung versteht man das erzwungene vaginale, anale oder orale Eindringen in den Körper einer anderen Person gegen ihren Willen. Vergewaltigungen können in Partnerschaften, in der Familie, im Bekanntenkreis oder im öffentlichen Raum begangen werden. Vergewaltigungen werden auch als Kriegswaffe in Konflikten eingesetzt.
Bei der sog. „korrigierenden“ Vergewaltigung handelt es sich um eine Form der Vergewaltigung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität der überlebenden Person, um ihr eine heteronormative Rolle aufzuzwingen.
Digitale Gewalt
Online oder digitale Gewalt (auch cyber violence) gegen Frauen und Mädchen umfasst gewaltvolle Handlungen, die im digitalen Raum, z.B. in Sozialen Medien oder Online-Portalen, stattfinden. Dabei zielen digitale Angriffe in erster Linie auf die Bedrohung, Herabsetzung, Rufschädigung, Erpressung sowie auch auf die Ausspähung der betroffenen Person ab. Digitale und analoge Gewalt verstärken und ergänzen sich oft gegenseitig.
Digitale Gewalt äußert sich u.a. folgendermaßen:
Cybermobbing umfasst das absichtliche Beleidigen, Herabsetzen, Bedrohen, Einschüchtern, Bloßstellen sowie Erpressen und die Verbreitung falscher Behauptungen mittels des Internets. Cybermobbing findet auf Internetportalen, in Sozialen Medien, in Chat-Rooms und Instant-Messaging-Diensten statt.
Unaufgefordertes und ungewolltes Sexting meint das Versenden von sexuell expliziten Nachrichten, zu denen die Empfänger*innen nicht ihr Einverständnis gegeben haben. Auch das unaufgeforderte Versenden sog. „Dick Pics“ (Penis-Bilder) gehört dazu.
Das sog. Doxing meint die Veröffentlichung von sensiblen Daten und Dokumenten. Davon sind häufig Personen des öffentlichen Lebens betroffen, wie z.B. Politiker*innen oder Aktivist*innen. Dies ist nicht nur ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der betroffenen Person, sondern kann zu potentiell (lebens-)gefährlichen Situationen führen.
Sog. Revenge Porn lässt sich wortwörtlich als „Rache Porno“ übersetzen. Das meint die Veröffentlichung pornografischer oder intimer Videos oder Bilder einer Person ohne deren Zustimmung. Dieser Racheakt erfolgt häufig im Rahmen einer ehemaligen Beziehung. Dabei sind Frauen jungen und mittleren Alters überproportional betroffen. Die intimen Inhalte – i. d. R. im Vertrauen versendet oder über gezieltes Hacking erlangt – werden im Umfeld über Instant-Messaging-Dienste weiterversendet, im Darknet hochgeladen oder in Sozialen Medien verbreitet, um die Betroffenen bloßzustellen und zu demütigen. Dabei ist nie die Person schuld, die intime Bilder von sich macht, sondern immer diejenige, die sie ohne Einverständnis weiterversendet oder veröffentlicht.
Mittels sog. Spy-Software, die sich auf Smartphones installieren lässt, können Standorte sowie allgemeine Online-Aktivitäten abgefragt und kontrolliert werden. Dies ist nicht nur ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der betroffenen Person, sondern kann zu potentiell (lebens-)gefährlichen Situationen führen. Ebenso zählen dazu ungewollte Nachrichten und Anrufe.
Bei sog. Deep Fakes handelt es sich um Manipulationen von Fotos oder Videos, häufig pornografischer Aufnahmen, bei denen die Gesichter der Betroffenen auf andere Körper retuschiert werden. Vor allem Frauen sind davon betroffen. Dies erfolgt mit der Absicht, den Ruf der betroffenen Person zu schädigen oder sie zu erpressen.
Gewalt in der Geburtshilfe
Gewalt in der Geburtshilfe umfasst u.a. körperliche Misshandlungen, Beleidigungen, ohne Einwilligung vorgenommene medizinische Eingriffe, Verweigerung der Schmerzbehandlung oder Vernachlässigung, die Gebärende unter der Geburt erleiden. Gewalt in der Geburtshilfe kann tiefgreifende psychische und körperliche Schäden hervorrufen, bis hin zur Lebensbedrohung bzw. zum Tod der gebärenden Person und/oder dem Kind.
Menschenhandel
Menschenhandel bezeichnet den Handel mit und die Ausbeutung von Menschen mittels Gewalt, Zwang, Betrug oder Täuschung. Diese Menschenrechtsverletzung geht oftmals mit sexualisierter Ausbeutung (z.B. Nötigung, erzwungene pornografische Inhalte, Zwangsprostitution) einher.
Weibliche Genitalverstümmelung (FGM/C)
Weibliche Genitalverstümmelung oder -beschneidung (Female genital mutilation or cutting, FGM/C) umfasst Praktiken, bei denen aus nicht-medizinischen Gründen Teile der weiblichen Genitalien absichtlich abgeschnitten oder verletzt werden. Neben extremen körperlichen und psychischen Schmerzen birgt dies viele langanhaltende gesundheitliche Risiken, im schlimmsten Fall den Tod. Die meisten Mädchen erleiden diese Gewalt, bevor sie das fünfte Lebensjahr vollendet haben. Man differenziert zwischen vier Typen der Praktik, die den Übergang von Mädchen zum „Frausein“ markieren soll. Auch wenn sich die sozio-kulturellen Gründe hinter der Praktik von Region zu Region unterscheiden, so haben sie alle ihren Ursprung in bestimmten Vorstellungen von Weiblichkeit und damit verbundenen Annahmen über Sexualität. 1997 wurde FGM/C zum ersten Mal als Gewalt anerkannt. Der Begriff weibliche Genitalverstümmelung macht nicht nur die schwerwiegende Menschenrechtsverletzung dieser Praktik deutlich, sondern unterstreicht, dass diese nicht mit der Beschneidung bei Jungen und Männern zu vergleichen ist. Im deutschen Diskurs wird im Kontakt mit Betroffenen auch der Begriff der weiblichen Genitalbeschneidung verwendet, da der Begriff der Verstümmelung auch als stigmatisierend empfunden werden kann.
Zwangsheirat
Eine Zwangsverheiratung bezeichnet eine Eheschließung, die gegen den Willen mindestens einer der Eheleute unter Ausübung von psychischer oder körperlicher Gewalt oder der Androhungen dieser erfolgt. Die Gründe einer Zwangsheirat sind dabei vielfältig. Sie reichen von traditionellen und kulturellen bis hin zu finanziellen Motiven. Die Kinderheirat kann als Form der Zwangsverheiratung bezeichnet werden (s.u.).
Kinderheirat
Eine Eheschließung, bei der eine*r oder beide der Verheirateten noch nicht 18 Jahre alt ist bzw. sind, bezeichnet man als Kinderheirat (engl. child marriage). Eine Kinderheirat verstößt gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, in der es heißt: „Eine Ehe darf nur bei freier und uneingeschränkter Willenseinigung der künftigen Ehegatten geschlossen werden.“ Für Mädchen ist das Risiko höher, in jungem Alter gegen ihren Willen mit wesentlich älteren Männern verheiratet zu werden, was häufig mit einem Schulabbruch, einer risikobehafteten Frühschwangerschaft und anderen Formen von Gewalt einhergeht.
Weibliche Genitalverstümmelung oder -beschneidung (Female Genital Mutilation or Cutting, FGM/C) umfasst Praktiken, bei denen aus nicht-medizinischen Gründen Teile der weiblichen Genitalien absichtlich abgeschnitten oder verletzt werden.
Der UN Trust Fund zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen vergibt Zuschüsse an Initiativen, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen systematisch angehen, reduzieren und beseitigen.
Stand: September 2023