
Feministische Außen- und Entwicklungspolitik
Die deutsche Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag einer Feminist Foreign Policy verschrieben. Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze arbeitet aktuell an einem Aktionsplan für eine feministische Entwicklungspolitik. Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, was feministische Außen- und Entwicklungspolitik bedeutet und warum sie so wichtig für die Gleichstellung der Geschlechter ist.
Das folgende Positionspapier baut auf den Perspektiven des Netzwerk 1325 und der darin vertretenen Organisationen auf. Es wird dargelegt, wie eine feministische Außenpolitik kohärent institutionalisiert und im Haushalt verankert werden sollte.
Was ist feministische Außenpolitik?
In dem Paper wird Feministische Außenpolitik wie folgt definiert:
Feministische Außenpolitik zielt auf die Transformation hierarchischer und unterdrückender Machtstrukturen in der internationalen Politik ab. Damit stellt feministische Außenpolitik Menschen und Gruppen in den Mittelpunkt von politischen Entscheidungen. Dahinter steht die Absicht internationale Politik so zu gestalten, dass sie zum Abbau von Diskriminierungsdimensionen und Machtstrukturen wie der Benachteiligung von Frauen und Mädchen beiträgt.
Feministische Außenpolitik weltweit baut auf der „Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit“ (Resolution 1325 und Folgeresolutionen) auf. Aus dem Grundsatz, dass Frauen und marginalisierte Gruppen Kriege aufgrund ihrer gesellschaftlich zugeschriebenen Rollen anders erfahren, folgt die Annahme, dass Frauen auf eine andere Weise zu Friedensprozessen beitragen können. So erklärt sich, warum in der feministischen Außenpolitik, der Begriff „staatliche Sicherheit“ die „menschliche Sicherheit“ umfasst. Auf lange Sicht möchte die feministische Außenpolitik auf die Utopie einer weltweiten Abrüstung hinarbeiten. Jedes Land mit einer feministischen Außenpolitik hat eine andere Vorstellung von der Umsetzung dieser Ziele und ist unterschiedlich weit, aber es herrscht Konsens über das Ziel der Bemühungen. Feministische Außenpolitik legt den Fokus auf menschliche Sicherheit aus der Perspektive der Verletzlichsten statt auf militärische Stärke.
Welche Länder entwickeln eine feministische Außenpolitik?
Im Jahr 2014 hat Schweden als erstes Land weltweit eine feministische Außenpolitik eingeführt. Dies geschah unter der Außenministerin Margot Wallström, welche geprägt war durch ihr Amt als erste UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Konflikten. Sie wählte den Begriff „feministisch“ mit dem Wissen, dass er Aufsehen und Diskussionen erzeugen würde, aber dass genau dies neue Gesprächskorridore öffnet. Die feministische Außenpolitik Schwedens scheint trotz Regierungswechsels gut verankert zu sein. Der Ansatz, Politik feministisch zu denken, hat sich in der schwedischen Politik weiterverbreitet, sodass er sich durch die gesamte Regierung zieht. Im Zentrum der Politik stehen drei R‘s. Das erste „R“ steht für Rechte. In der Praxis, soll sich der schwedische Auswärtige Dienst dafür einsetzen, dass Frauen und Mädchen von ihren Menschenrechten Gebrauch machen können. Das zweite „R“ steht für Ressourcen und umschließt das Ziel „gender-budgeting“ in der Verteilung von Entwicklungsgeldern mitzudenken. Ein zweiter Fokus ist hier, prinzipiell genügend Gelder für die Gleichstellung bereitzustellen. Das dritte „R“ steht für Repräsentation. Das damit verbundene Ziel ist, dass an jedem Ort, wo Entscheidungen getroffen werden, zuerst die Frage in den Raum zu stellen: Wo sind die Frauen? Als Zusatz ist in den letzten Jahren das vierte „R“ hinzugekommen, welches für Realitätscheck steht. So sollen kontinuierliche Fort-/ oder Rückschritte evaluiert werden, wobei man sich auf den aktuellen Stand der Forschung stützt. Welche zum Beispiel die positive Korrelation zwischen einem inklusiveren Friedensprozess und der Nachhaltigkeit von Friedensabkommen aufzeigt.
Das langjährige Vorbild im Bereich feministische (Außen-)Politik – Schweden, verkündete mit seiner neuen rechtsgerichteten Regierung 2022 die Abkehr vom Konzept.
Kanada führte im Jahr 2017 eine feministische Entwicklungspolitik ein. Es folgte unter anderem eine Reallokation der Entwicklungsgelder, mit dem wesentlichen Ziel der Gleichstellung. Im Jahr 2019 wurden in Kanada bereits 89% der bilateralen Gelder, die von dem Ausschuss der Entwicklungshilfe (DAC) zur Verfügung gestellt werden, mit dem Hauptziel der Gleichstellung vergeben. Im Jahr 2022 sollen 95% der kanadischen Entwicklungsgelder die die Gleichstellung zum Ziel haben.
Auch Frankreich fängt nun an Außenpolitik feministischer zu denken und implementierte eine „feministische Diplomatie“. Länder, die dem Pionier Schweden außerdem noch folgten sind Luxemburg, Libyen, Hawaii, Norwegen und die UK (Labour Party, Women’s Equality Party und Scottish National Party). Mexiko verfolgt seit 2020 eine feministische Außenpolitik. Spanien schloss sich im Jahr 2021 ebenfalls an und legte einen besonderen Fokus auf geschlechterspezifische Gewalt. Auch die deutsche Bundesregierung hat „feminist foreign policy“ im Koalitionsvertrag von 2021 verankert. Weiterhin kündigten Chile und die Niederlande eine feministische Außenpolitik an.
Es ist jedoch Vorsicht geboten: Auch wenn sich mittlerweile einige Staaten Feministische Außenpolitik nach außen auf die Fahne schreiben, ist die Umsetzung ins Innere noch lange nicht so weit fortgeschritten.
Was ist eine feministische Entwicklungszusammenarbeit?
Auch feministische Entwicklungspolitik folgt der Grundidee des Feminismus, also dem Grundsatz bestehende diskriminierende und postkoloniale Machtstrukturen langfristig abzubauen. Ebenso steht die Einbeziehung betroffener Personen, also insbesondere Frauen und marginalisierter Gruppen im Vordergrund der Konzipierung und Zielsetzung entwicklungspolitischer Maßnahmen. Wie in der Außenpolitik, setzt feministische Entwicklungszusammenarbeit an den Ursachen an und erkennt an, dass Menschen aufgrund von Merkmalen wie Geschlecht(identität), sozioökonomischem Status, Religion, Ethnizität, sexueller Orientierung, Behinderungen, Aufenthaltsstatus oder Alter unterschiedlich Diskriminierung oder Privilegien erfahren.
Für den Unterschied zwischen herkömmlicher und feministischer Entwicklungspolitik gilt folgendes: Während herkömmliche Entwicklungspolitik die Thematik der Gleichstellung unberücksichtigt lässt, sieht feministische Entwicklungspolitik Frauenrechte und Gleichstellung als Lösung von Hunger und Armut an.
Vorbildfunktion für eine feministische Entwicklungspolitik ist Kanada, da es weltweit als erstes Land seit 2017 eine feministische Politik der internationalen Zusammenarbeit verfolgt. Aber auch unsere Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit, Svenja Schulze, sagt: „Wer die menschliche Gesellschaft will, der muss die männliche überwinden“.
Mehr Informationen zu feministischer Entwicklungszusammenarbeit finden Sie auch hier.
Was macht feministische Außen- und Entwicklungspolitik genau?
Umsetzung in Deutschland
Laut Koalitionsvertrag plant die aktuelle Regierung ebenfalls feministische Strategien in die Außen- und Sicherheitspolitik zu integrieren
„Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern.“ & „Wir wollen mehr Frauen in internationale Führungspositionen entsenden, den Nationalen Aktionsplan der VN-Resolution 1325 ambitioniert umsetzen und weiterentwickeln.“
Bereits im Jahr 2000 hat sich Deutschland zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 – Frauen, Frieden und Sicherheit verpflichtet. Diese Resolution fordert die oben genannten drei „R“s. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Frauen global die gleichen Rechte haben, den gleichen Anspruch und Zugang zu Ressourcen und durch gleiche politische Repräsentation die gleiche Entscheidungsmacht. Allerdings reicht es nicht aus im bestehenden System Frauen in Führungspositionen zu bringen. Sondern vielmehr ist es entscheidend das bestehende System neu zu denken.
In Ergänzung zum Koalitionsvertrag hat Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze erklärt, eine feministische Entwicklungspolitik zu verfolgen. Dazu plant sie aktuell einen Gender-Aktionsplan, bei dem auch die Zivilgesellschaften mit einbezogen werden sollen. Ein zentrales Ziel ist die schrittweise Erhöhung des Anteils der bilateralen Finanzmittel des BMZ, die gezielt oder mittelbar einen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter leisten, von jetzt circa 60 Prozent auf 93 %. Dabei sollen die Mittel für Vorhaben, die explizit Geschlechtergleichstellung fördern, verdoppelt werden.
Weiterführende Informationen
Stand: März 2023