
Die Istanbul-Konvention
Die „Istanbul-Konvention“ ist eine Europaratskonvention zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt von 2011 setzt sich für Opferschutz, Prävention und Strafverfolgung ein sowie für die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen der Unterzeichnerstaaten.
Warum brauchen wir die "Istanbul-Konvention"?
In der Europäischen Union haben ein Fünftel bis ein Viertel aller Frauen schon mindestens einmal im Leben physische Gewalt erlebt.
Darunter erlebten mehr als ein Zehntel aller Frauen auch sexualisierte Übergriffe. Meistens waren die Täter Männer aus dem direkten Umfeld der Betroffenen.
Deshalb hat der Europarat 2011 die Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Istanbul-Konvention“) als völkerrechtlichen Vertrag ausgefertigt. Die Konvention trat 2014 in Kraft. Der Grundsatz der Konvention in Art. 1a lautet: „Zweck dieses Übereinkommens ist es, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen.“ Bis heute haben 46 Mitgliedsstaaten des Europarats die Konvention in Istanbul (daher der umgangssprachliche Name Istanbul-Konvention) unterzeichnet. Inzwischen haben 34 der Mitgliedstaaten die Konvention ratifiziert.
März 2021: UN Women Deutschland ist erschüttert über den Austritt der Türkei aus der Istanbul Konvention und fordert Konsequenzen. „Wir sind entsetzt über den Austritt der Türkei aus der Istanbul Konvention. Wir müssen für die Rechte von Frauen weiterkämpfen und dürfen keinen Rückschritt hinnehmen. Der Austritt der Türkei sendet eine gefährliche Botschaft,“ so Karin Nordmeyer, Vorsitzende von UN Women Deutschland. Bereits im August 2020 warnte das Bündnis Istanbul-Konvention, ein Zusammenschluss von Frauenrechtsorganisationen in Deutschland, Verbänden und Expert*innen gegen geschlechtsspezifische Gewalt, vor Angriffen auf die Istanbul-Konvention.
Was bedeutet Gewalt?
Die Istanbul-Konvention verpflichtet die Mitgliedstaaten, gegen alle Formen von Gewalt vorzugehen. Im Fokus der Konvention steht geschlechtsspezifische Gewalt. Darunter wird jede Form von Gewalt verstanden, die sich entweder gegen Frauen richtet oder Frauen unverhältnismäßig stark trifft. Häufige Erscheinungsformen geschlechtsspezifischer Gewalt sind:
- sexualisierte Belästigung,
- Vergewaltigung,
- Verstümmelung der weiblichen Genitalien,
- erzwungene Abtreibung,
- Sterilisation,
- Zwangsehen
- und psychische Gewalt.
Geschlechtsbezogene Gewalt kommt in allen sozialen Schichten jeder Gesellschaft vor. Die Gewaltakte stehen im Zusammenhang mit politischen, öffentlichen und strukturellen Dimensionen. Durch den strukturellen Charakter geschlechtsspezifischer Gewalt sind Frauen besonders gefährdet, Opfer solcher Gewaltakte zu werden.
Weitere Informationen zu geschlechtsspezifischer Gewalt:
Wozu verpflichtet die Istanbul-Konvention?
Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, offensiv gegen alle Formen von Gewalt vorzugehen (ganzheitliche Gewaltschutzstrategie). Damit sind alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen umfasst. Einen besonderen Fokus legt die Konvention zudem auf häusliche Gewalt. Deshalb können die Vertragsstaaten Opfer (häuslicher Gewalt) jeglichen Geschlechts in den Schutzbereich der Konvention miteinbeziehen.
Die Vertragsstaaten sind im Rahmen der ganzheitlichen Gewaltschutzstrategie zu verschiedenen Maßnahmen verpflichtet:
- Gewaltprävention durch Bewusstseinsschaffung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit
- Unterstützung und Schutz durch Hilfsdienste, Einsatz ausgebildeter Fachkräfte, Einrichtung von Frauenhäusern
- Wirksame strafrechtliche Normen und Verfahren zur Aufklärung und Sanktionierung von Gewalttaten
- Sofortschutz durch Kontakt- und Näherungsverbote
- Ausdehnung der Maßnahmen auch in Asylverfahren, eigenständige Aufenthaltstitel für Gewaltopfer
Außerdem sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, die widerstreitenden Interessen zwischen Opferschutz und Freiheitsrechten gewalttätiger Personen sorgfältig abzuwägen (opferzentrierter Sorgfaltsmaßstab).
Gilt die Istanbul-Konvention auch in Deutschland?
Deutschland hat den Vertrag am 11. Mai 2011 unterzeichnet. Daraufhin hat der Deutsche Bundestag am 27. April 2017 über den Gesetzesentwurf zur Istanbul-Konvention beraten und am 01. Juli 2017 ratifiziert. Anschließend wurde die Konvention in Deutschland am 1. Februar 2018 in Kraft gesetzt, sodass sie rechtlich verbindlich ist.
GREVIO - Die Expert*innenkommission
Die Einhaltung der Verpflichtung, die sich für die Vertragsstaaten aus der Konvention ergeben, wird von einer Expert*innenkommission überwacht. Diese Kommission heißt GREVIO. Zur Berichterstattung können auch NGO’s eingeladen werden. Der erste Basisevaluationsprozess der Istanbul-Konvention begann im Jahr 2016 und lief bis ins Jahr 2020.
Die Evaluation von Deutschland begann im November 2019. Dann wird Deutschland der Fragebogen übersendet. Im April 2020 endet die Berichtsfrist und im ersten sowie im zweiten Quartal im Jahr 2021 finden die Evaluationsbesuche statt.
Weitere Informationen
Stand: Juni 2022