Gewalt gegen Frauen in Deutschland 2022
Triggerwarnung für folgende Inhalte: Gewalt an Frauen, Mord
Laut kriminalstatistischer Auswertung des Bundeskriminalamts zu Partnerschaftlicher Gewalt waren 2022 126.349 Frauen und 31.469 Männer von partnerschaftlicher Gewalt betroffen. Gegenüber 2021 ist die Anzahl der Opfer partnerschaftlicher Gewaltdelikte im Berichtsjahr 2022 um 9,1% gestiegen (2022: 157.818, 2021: 144.637).
Alle 4 Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch Ihren Partner oder Ex-Partner.
Die folgenden versuchten und vollendeten Delikte sind beinhaltet:
Mord und Totschlag, Körperverletzungen, sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Bedrohung, Stalking, Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution.
- 312 Frauen wurden Opfer von versuchtem/vollendeten Mord oder Totschlag (2021: 305 Frauen)
- 133 Frauen sind durch partnerschaftliche Gewalt verstorben – eine jeden dritten Tag (2021: 113 getötete Frauen).
- 12.693 Frauen wurden von ihrem (Ex-)Partner gefährlich körperlich verletzt – alle 41 Minuten eine Frau.
- 4.282 Frauen erlebten sexualisierte Gewalt durch Ihren (Ex-)Partner – etwa alle zwei Stunden eine Frau.
Hohe Dunkelziffer
Die aufgeführten Zahlen bilden jedoch nur jene Straftaten ab, die zur Anzeige gebracht und die im Rahmen einer (ehemaligen) Partnerschaft verübt wurden. Folglich ist die Dunkelziffer weitaus höher: Bundesfamilienministerin Lisa Paus erläuterte, es sei davon auszugehen, dass derzeit zwei Drittel der weiblichen Betroffenen nicht zur Polizei ginge. Nach sogenannten Dunkelfeldstudien ist jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen. Das sind mehr als 12 Millionen Frauen, so das BMFSFJ.
Genaue Zahlen zu geschlechtsspezifischer Gewalt außerhalb von Partnerschaften werden vom BKA gar nicht explizit statistisch erfasst, sodass hier auch das Hellfeld unbekannt ist. Folglich kann man auch keine Angaben zu der Anzahl von Femiziden in Deutschland machen, denn diese werden schließlich auch außerhalb von Partnerschaften verübt.
Die Zahl der Femizide in Deutschland bleibt also eine unbekannte, da Tatmotive bei Tötungsdelikten von Frauen nicht hinreichend ermittelt werden. Zudem hat die Bundesregierung nach wie vor keine Definition von Femiziden anerkannt, auch nicht die der WHO, die unter einem Femizid die Tötung einer Frau versteht, weil sie eine Frau ist. Dadurch werden das Problem und die strukturellen Ursachen wie hierarchische Geschlechterverhältnisse, Unterdrückung und Misogynie nicht erkannt und als „Familien- oder Beziehungsdrama“ individualisiert und verharmlost.
Aus diesem Grund fordert UN Women Deutschland die Aufnahme frauenfeindlicher Gewalt und Frauenhass als eigene Kategorie in der polizeilichen Kriminalstatistik sowie Ermittlungsbehörden in diesem Bereich zu schulen und zu sensibilisieren.
Istanbul-Konvention endlich vollständig umsetzen
In Deutschland fehlt es nach wie vor an einer politischen Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Die Istanbul-Konvention ist noch nicht ausreichend umgesetzt. Es fehlen ausreichend Plätze in Frauenhäusern, überlebende Frauen sehen sich oft erheblichen Hürden gegenüber, wenn sie die Täter anzeigen wollen. Die Gerichtsverfahren selbst stellen eine große Belastung dar, da sie von „Victim Blaming“ geprägt sind, oft retraumatisieren und nur selten zur Verurteilung des Täters führen. Kommt es zu einer Verurteilung, fällt das Strafmaß meist vergleichsweise gering aus. Gewaltdelikte im häuslichen Bereich, dem sog. sozialen Nahraum, werden meist deutlich geringer bestraft, als dieselben Delikte im öffentlichen Raum, da der Kontext einer Beziehung strafmildernd wirkt. Auch behalten Täter häufig das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder, was die Betroffenen weiterhin zu regelmäßigem Kontakt zwingt.
Stand: September 2023