Die UN-Kampagne „Orange the World“ schafft jedes Jahr 16 Tage lang Aufmerksamkeit und fordert ein Ende geschlechtsspezifischer Gewalt. Stopp Gewalt gegen Frauen!
Gewalt gegen Frauen in Deutschland 2023
Triggerwarnung für folgende Inhalte: Gewalt an Frauen, Mord
Laut kriminalstatistischer Auswertung des Bundeskriminalamts zu Partnerschaftsgewalt waren 2023 132.966 Frauen und 34.899 Männer von Gewalt in einer Partnerschaft betroffen.
Die Anzahl der erfassten Opfer ist in den letzten fünf Jahren um 17,5 % angestiegen und erreicht im aktuellen Berichtsjahr 2023 einen neuen Höchststand (2019: 142.827; 2020: 149.091; 2021: 144.637; 2022: 157.818; 2023: 167.865).
Alle 4 Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner.
- 331 Frauen wurden Opfer von versuchtem/vollendeten Mord oder Totschlag (2022: 312 Frauen).
- 155 Frauen wurden durch ihren (Ex-)Partner getötet – alle zwei Tage! (2022: 133 getötete Frauen).
- 12.931 Frauen wurden von ihrem (Ex-)Partner schwer oder gefährlich körperlich verletzt.
- 4.622 Frauen erlebten sexualisierte Gewalt durch ihren (Ex-)Partner – mehr als alle zwei Stunden eine Frau.
Mehr als die Hälfte aller Fälle von Mord und Totschlag fanden in Ehen statt; Bedrohung, Stalking, Nötigung (67,2 %) oder vollendeter Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexuelle Übergriffe (46,1 %) vor allem in ehemaligen Partnerschaften.
Mit 79,2 % richten sich die Delikte der Partnerschaftsgewalt hauptsächlich gegen Frauen. In den Deliktsbereichen Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, bei der Freiheitsberaubung oder im Bereich Bedrohung, Stalking, Nötigung ist der prozentuale Anteil weiblicher Opfer von Partnerschafsgewalt besonders hoch. Bei Zuhälterei und Zwangsprostitution beträgt der Anteil weiblicher Opfer 100 %.
Hohe Dunkelziffer
Die aufgeführten Zahlen bilden jedoch nur jene Straftaten ab, die zur Anzeige gebracht und die im Rahmen einer (ehemaligen) Partnerschaft verübt wurden. Folglich ist die Dunkelziffer weitaus höher: Bundesfamilienministerin Lisa Paus erläuterte, es sei davon auszugehen, dass derzeit zwei Drittel der weiblichen Betroffenen nicht zur Polizei ginge. Nach sogenannten Dunkelfeldstudien ist jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen. Das sind mehr als 12 Millionen Frauen, so das BMFSFJ 2024. Für 2025 ist eine neue Studie zum Dunkelfeld geschlechtsspezifischer Gewalt angekündigt (LeSuBiA Studie von BMFSFJ, BMI und BKA).
Genaue Zahlen zu geschlechtsspezifischen Tötungen außerhalb von Partnerschaften werden vom BKA nicht statistisch erfasst, sodass hier auch das Hellfeld unbekannt ist. Folglich kann man auch keine Angaben zu der Anzahl von Femiziden in Deutschland machen, denn diese werden schließlich auch außerhalb von Partnerschaften verübt.
Die WHO definiert Femizid als die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. Die Bundesregierung hat bisher keine Definition von Femiziden anerkannt. In Deutschland werden so die strukturellen Probleme und Ursachen wie hierarchische Geschlechterverhältnisse, Unterdrückung und Misogynie nicht anerkannt. Femizide werden häufig als „Familien- oder Beziehungsdrama“ individualisiert und verharmlost.
Aus diesem Grund fordert UN Women Deutschland die Aufnahme frauenfeindlicher Gewalt und Frauenhass als eigene Kategorie in der polizeilichen Kriminalstatistik sowie Ermittlungsbehörden in diesem Bereich zu schulen und zu sensibilisieren.
Istanbul-Konvention endlich vollständig umsetzen
In Deutschland fehlt es an einer politischen Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Die Istanbul-Konvention ist noch nicht ausreichend umgesetzt. Es fehlen ausreichend Plätze in Frauenhäusern, überlebende Frauen sehen sich oft erheblichen Hürden gegenüber, wenn sie die Täter anzeigen wollen. Die Gerichtsverfahren selbst stellen eine große Belastung dar, da sie von “Victim Blaming” geprägt sind, oft retraumatisieren und nur selten zur Verurteilung des Täters führen. Kommt es zu einer Verurteilung, fällt das Strafmaß meist vergleichsweise gering aus. Gewaltdelikte im häuslichen Bereich, dem sog. sozialen Nahraum, werden meist deutlich geringer bestraft als dieselben Delikte im öffentlichen Raum, da der Kontext einer Beziehung strafmildernd wirkt. Auch behalten Täter häufig das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder, was die Betroffenen weiterhin zu regelmäßigem Kontakt zwingt.
Weiterführende Informationen
Stand: Juni 2024