Bundestagswahl 2021 – Reaktion zum Koalitionsvertrag von UN Women Deutschland
Erstmals sind einem Bundeskabinett ebenso viele Bundesministerinnen wie Bundesminister vertreten. Dies ist ein wichtiges Signal und ein längst überfälliger Schritt. Zum ersten Mal haben wir eine Außenministerin und eine Innenministerin und zum ersten Mal liegt die Außenpolitik insgesamt (AA, BMZ und BMVg) in weiblicher Hand. Zum ersten Mal bekennt sich eine Bundesregierung zu einer feministischen Außenpolitik.
Der Koalitionsvertrag hat ein großes gleichstellungpolitisches Potential. Die neue Regierung will die Gleichstellung der Geschlechter bis zum Jahr 2030 verwirklichen. Das ist ein großes aber auch sehr lohnenswertes Ziel. Die strukturellen Benachteiligungen von Frauen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der fairen Verteilung der unbezahlten Care Arbeit müssen überwunden werden. Dazu gibt es viele, und auch gute, Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Da geht noch mehr: Es fehlen konkrete Maßnahmen für mehr Frauen in Führungspositionen und ein Verbandsklagerecht bei Entgeltdiskriminierung. Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung sich der Kraft der Argumente für solche Maßnahmen nicht verschließt. Besonders freuen wir uns, dass der §219a StGB ersatzlos gestrichen werden und die Entkriminalisierung von Schwangeren im Fall des Schwangerschaftsabbruchs ergebnisoffen diskutiert werden soll.
Entscheidungshilfen für die Bundestagswahl
Am 26. September 2021 wird in den Wahllokalen der Bundesrepublik gewählt. Alternativ gibt es die Möglichkeit, vorab per Briefwahl zu wählen. In diesem Jahr könnte diese Option wichtiger werden, etwa für Eltern und Bezugspersonen von Kindern, da die Gefahr besteht, am Wahltag mit den Kindern in Corona-Quarantäne zu sein.
Nicht alle Menschen in Deutschland können wählen, darunter Menschen ohne deutschen Pass. Für manche Menschen ist die Wahl erschwert, z.B. Wohnungslose, da sie oft nicht im Melderegister und damit im Wähler*innenverzeichnis eingetragen sind und nicht automatisch einen Wahlschein bekommen.
Für diejenigen, die wählen dürfen, ist das Angebot oft etwas unübersichtlich. Wofür stehen die Parteien, was sind ihre Ansätze, um unsere Gesellschaft gerechter zu gestalten? Was soll sich ändern? Was sind die Forderungen aus der Zivilgesellschaft?
Auf dieser Seite werden wir fortlaufend Entscheidungshilfen zur Verfügung stellen. Wir geben keine Wahlempfehlung, wir wollen nur dabei unterstützen, sich bestmöglich zu informieren. Fehlt aus Ihrer Sicht etwas? Schreiben Sie uns gern über das Kontaktformular.
Forderungen
- Mit gemeinsamer Stimme fordern UN Women Deutschland und 40 Frauenverbände der Berliner Erklärung aus allen Bereichen der Gesellschaft die Politik zu einem entschlossenen Handeln auf: Ein “Weiter so” darf es nach der Bundestagswahl im Herbst nicht mehr geben, es ist Zeit für Parität, ohne Ausnahmen. Nur mit verbindlichen gesetzlichen Regelungen lassen sich die Gender Gaps bis 2030 schließen.
- medica mondiale fordert feministische Antworten auf sexualisierte Gewalt. Die neue Bundesregierung stehe vor der Aufgabe, gemeinsam mit internationalen Partner*innen tragfähige Lösungen für eine geschlechtergerechte Bewältigung der Pandemie zu entwickeln. Nur mit einer Gesamtstrategie, die auch die Ursachen von Gewalt gegen Frauen in den Blick nimmt, könnten wirksame Maßnahmen entwickelt werden, die an den Wurzeln der Gewalt ansetzen.
- VENRO fordert die Parteien, die zukünftigen Abgeordneten und die neue Bundesregierung auf, ihre Prioritäten darauf zu richten, was jetzt weltweit wichtig sei: eine nachhaltige Politik, die alle mitnimmt.
- Hier finden Sie die Wahlforderungen des Deutschen Frauenrats.
- Hier sind die Forderungen von Frauenhauskoordinierung.
- ZIF Autonome Frauenhäuser fordern sichere Finanzierung für Frauenhäuser.
- Der bff fordert alle Parteien und Parlamentarier*innen auf, sich in ihrer Arbeit für Gleichberechtigung, gegen Diskriminierung und für ein gewaltfreies Leben aller Menschen – besonders von Frauen und Mädchen und LSBTIQ* – einzusetzen und geschlechtsspezifischer Gewalt entgegenzutreten.
- Hier finden Sie die entwicklungspolitischen Forderungen von ONE Deutschland.
Wahlprüfsteine
- WAHLTRAUT funktioniert wie der Wahl-O-Mat, setzt jedoch den Fokus auf feministische und gleichstellungspolitische Themen. HeForShe Deutschland Botschafter Fikri Anıl Altıntaş war Teil des Gremiums und auch UN Women Deutschland unterstützte die Entwicklung der Fragen.
- Was sind die frauenpolitischen Ziele und Visionen der Parteien? Welche Maßnahmen halten sie für zielführend, um mehr Gleichstellung herzustellen? Diese Fragen beantwortet der DF-Gleichstellungs-Check. Hier finden Sie den begleitenden Kampagnenfilm von Pinkstinks.
- Die Progresso Maschine ist eine Wahlentscheidungshilfe für progressive Politik und unterrepräsentierte Wähler*innen.
- Global Citizen checkt, wie sich die Parteien für Entwicklungszusammenarbeit und globale Solidarität einsetzen.
- ONE Deutschland hat alle aktuell im Bundestag vertretenen Parteien gefragt, wie ihr Einsatz für globale Gerechtigkeit und Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe in den nächsten vier Jahren aussehen wird.
- Edition F prüft, wie viel Feminismus in den Parteiprogrammen steckt: Was planen die Parteien z.B. konkret, wenn es um Themen wie Schwangerschaftsabbrüche, Care-Arbeit, Inklusion, Diskriminierung und geschlechtergerechte Löhne geht?
- Die Emotion überprüft ebenfalls, wie die Parteien Feminismus und Frauenrechte unterstützen wollen. Denn im Jahr 2021 bewegten uns Themen wie die Gender Pay Gap, häusliche Gewalt gegen Frauen, Femizide oder misogyne Bewegungen wie die Incel-Szene mehr denn je.
- WECF will mit ihrer Wahlhelferin Ecofeminist Scorecard insbesondere junge Wähler*innen bei ihrer Wahlentscheidung unterstützen. Sie werteten neun Parteivorhaben zu den Themen Klima- und
Gendergerechtigkeit aus und haben die Ergebnisse in einem Ampelmodell zusammengetragen. - Mehr als du denkst hat sich die Wahlprogramme daraufhin angesehen, wer das Thema Schwangerschaftsabbruch erwähnt.
- #wAlman: Im Mittelpunkt steht ein multilingualer Wahlswiper, der ab sofort in Englisch, Türkisch, Kurdisch, Arabisch, Farsi und Russisch zur Verfügung steht.
- Die dbb bundesfrauenvertretung gibt einen schnellen Überblick, mit welchen Maßnahmen die aktuell im Bundestag vertretenen Parteien das Thema Gleichstellung künftig fördern möchten, von der Parität über Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst.
- Die neue Norm hat sich die Wahlprogramme der sechs im Parlament vertretenen Parteien daraufhin angeschaut, welche Rolle die Themen Inklusion und Behindertenpolitik darin spielen.
- Die Elle unterzieht die Parteien einem Feminismus-Check.
- Hier finden Sie den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung.
- Hier ist der Klimawahlcheck von Klima Allianz Deutschland, NABU und German Zero.
- Der Wahlprogrammcheck von Polis 180 ist eine Orientierungshilfe von jungen Menschen für junge Menschen.
Sexistischer Wahlkampf
Sowohl im Netz als auch in der gedruckten Presse findet sich zu oft sexistische Berichterstattung über die Spitzenkandidat*innen, der Eindruck entsteht, dass andere Maßstäbe angelegt werden. Auch Hasskommentare werden häufiger gegen Annalena Baerbock gerichtet als gegen Armin Laschet (6x) oder Olaf Scholz (8x).
Im Bundestag sind aktuell knapp 31% Frauen vertreten, so wenige wie seit den 1990ern nicht mehr. Die EAF Berlin hat erhoben, wie viele Frauen, Männer und nicht binäre Personen von den Parteien deutschlandweit auf den Landeslisten sowie in den Wahlkreisen als Direktkandidat*innen für die Bundestagswahl 2021 aufgestellt wurden. Das Ergebnis zeigt, dass wir von einer Parität der Geschlechter noch entfernt sind: 41 Prozent der Kandidat*innen aller Parteien sind Frauen. Das sind 5 Prozentpunkte mehr als bei der Bundestagswahl 2017, die EAF nennt das “Fortschritt im Schneckentempo”. Die ausführlichen Ergebnisse der Erhebung der EAF Berlin finden Sie hier.